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Übersicht:16061886M-fam.html
Ahnenziffer: 4,9
Name:Müller
Vorname:Johann Baptist
Geburtsdatum:1886-06-16
Geburtsort:Greding /Mittelfranken
Sterbedatum:1963-02-21
Sterbeort:Dortmund
Begräbnisort:Dortmund
Ehen:1
Beruf:Kammermusiker
Wohnort:Dortmund
Religion:rk
Kind:9
Vater:Maximilian Müller
Mutter:Maria Margarete Birkl
Ehepartner:Anna (1925-12-04);
Kinder:Wolfgang; Ludwig; Margret;

Johann Baptist (Hans) Müller

wurde als letztes, vierzehntes Kind im Jahre 1886 geboren, als sein Vater 50 sei ne Mutter 44 und seine älteste Schwester,Franziska 16 Jahre alt waren. Seine Ju- gend- und frühen Mannesjahre waren durch Krankheiten ø) gezeichnet

Er war ein schwächliches Kind, so daß die älteren Geschwister, die fünfmal mit- erleben mußten, daß eines ihrer Geschwister starb, glaubten, daß auch er den Turm nicht als Erwachsener verlassen würde. Aber er hielt durch, und sein Auf- wachsen in der durch und durch musikalischen und musikantischen Familie, in der jedes Kind mehrere Instrumente erlernte, was zum Bestreiten der Kirchenmusik durch die Familie auch notwendig war, hat ihn in besonderer Weise geprägt. Dreizehnjährig mußte er den Tod seiner Mutter beklagen, die nach seinen Erzäh- lungen unablässig unter Kopfschmerzen zu leiden gehabt hatte. Er wurde dann von seinen großen Schwestern Franziska und Margaretha betreut, die jedoch bald als Hausgehilfinnen nach München gingen.

Als er neunzehn Jahre alt war, starb sein Vater. Die gewünschte Nachfolge seines Vaters im Türmeramt wurde ihm verwehrt, da sich dieser Beruf überlebt hatte. Eine Lehre als Geometer, die damals erhebliche körperliche Leistungen verlangte, brach er auf energisches Anraten seiner älteren Brüder ab, die nicht mit ansehen konnten, wie er, schwächlich und mit einem durch die Knochentuberkulose verkürz- ten Bein die schweren Geräte durch zum Teil unwegsames Gelände schleppen mußte. Seine Brüder Max, Jakob, und Franz, damals 30, 25 bzw. 23 Jahre alt,

alle drei junge Beamte mit spärlichem Vierteljahresgehalt haben ihn,
den begabten Musiker zur Königlichen Musikschule nach Würzburg geschickt und Schulgeld und Lebensunterhalt für ihn bestritten, was bei sparsamster Lebens- führung damals circa 50 Reichsmark monatlich betrug, eine für die drei Brüder in ihren Verhältnissen enorme Summe.

Die Aufnahmeprüfung hatte er leicht bestanden. Allerdings hatte man ihn "über- redet", statt des Wunschinstruments Trompete wegen der besseren Berufsaussichten Kontrabaß zu studieren.

Um seine finanzielle Misere (,über die er nie geklagt hat,) zu verbessern und seine Brüder zu entlasten, hat er einmal während der Ferien in einer Kurkapelle gespielt, was von der Schule streng verboten war. Er wurde denunziert und prompt von der Schule relegiert. Die "untertänigste" Bitte um Wiederaufnahme hatte Er- folg, und etwas später bekam er wegen seiner Leistungen sogar ein Stipendium von 200 Reichsmark (2 Anlagen). Zur Abschlußprüfung, zu der neben der Beherr- schung seines Instrumentes auch Fächer wie Chorgesang, Kontrapunkt, Harmonieleh- re und Komposition verlangt wurden, spielte das Schulorchester eine vom Proban- den komponierte Fuge.

Nach seinem ersten Engagement in Winterthur wurde er von seinem Lehrer Cahnbley, dem er bei seinem Examen "außerordentlich" gut gefallen hatte, zum Philharmoni- schen Orchester Hüttner in Dortmund empfohlen (Anlagen: 2 Postkarten). Nach der Übernahme des bis dahin privaten Orchesters durch die Stadt Dortmund wurde ihm der Titel "Kammermusiker" verliehen, später stieg er zum Stimmführer und ersten Solobassisten auf. Mehr als 40 Jahre hat er im Orchester gewirkt. We- gen seiner großen musikalischen Bildung wurde er immer wieder von dem späteren Generalmusikdirektor Professor Wilhelm Sieben als Gesprächspartner gesucht. Erst spät, mit 39 Jahren, gründete er mit Anna Flechtner eine Familie, aus der drei Kinder, Ludwig, Wolfgang und Margret hervorgingen.

Die enge Verbundenheit mit seiner Heimat, mit seinen Geschwistern, denen er ja auch vieles zu verdanken hatte, seinen Nichten und Neffen hielt er duch eifrige Korrespondenz und vor allem durch jährliche Besuche aufrecht. Sie war für ihn Quell seiner Lebenskraft. Selbst in der Zeit der französischen Besatzung des Ruhrgebietes stahl er sich auf Schleichwegen heraus, um seine Heimat zu sehen. Auch mit der Familie ging er Jahr für Jahr nach Greding. Für uns Kinder war die- ser Ort der Inbegrif von Ferienglück. Im Krieg und vor allem nach seiner Pensio- nierung ließ er keine Gelegenheit aus, seine Geschwister zu besuchen. Er war es, der den Zusammenhalt der Familie besonders beförderte. Selbst vom Sterbebett, als er mit Magenkrebs im Krankenhaus lag und sich durch die Behandlung gestärkt fühlte, stand er auf, und fuhr nach Greding. Von dort mußte ihn Walli Karmann wieder zurückbringen. Er ging vom Bahnhof gleich wieder ins Krankenhaus, wo er

nach langem Leiden im Februar 1963 verstarb.

ø) Knochen- und Lungentuberkulose

Wolfgang Müller

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Würzburg, den 12. Mai 1907

An die Direktion der K. Musikschule in Würzburg

Betreff:

Gehorsamste Bitte des Musikschülers

Johann Müller um Gewährung von

Stipendien

Laut Bekanntmachung vom 1. ds Mts. sind aus der wohledlen Frau Luysa Prim-Stiftung für das Schuljahr 1908/09 Stipendien zur Verteilung verfügbar.

Demzufolge wagt es der untertänigst gehorsamst Unterfertigte, nachstehende Bitte mit folgender Begründung vorzubringen. Der Unterfertigte (20 Jahre alt) ist in Greding, Kreis Mittel- franken geboren. Seine Eltern, nunmehr verstorben, waren die Stadttürmerseheleute Max und Margareta Müller und vermögenslos. Um meinen seligen Vater folglich seines hohen Alters in seinem Dienste unterstützen zu können, erlernte ich bei ihm die Musik. Mit dem Ableben desselben im September 1905 wurde ich brotlos. Indem mein einziges Streben von jeher war, in der Musik mich aus- bilden lassen zu können, haben meine Geschwister am 24.April 1906 bei der K. Musikschule die Aufnahme für mich erbeten, und unter- halten mich seitdem von ihrem ohnehin kärglichen Einkommen. Dem gehorsamst Unterfertigten würde daher durch Gewährung von Stipendien sein Lebensunterhalt sowie die Fortsetzung seines je- weiligen Lehrkurses wesentlich erleichtert, und erlaubt sich da- her an eine Hohe Königl. Direktion die untertänigste Bitte zu stellen, ihn bei Verleihung obenerwähnter Stipendien hochgeneig- test berücksichtigen zu wollen.

Mit vorzüglicher Hochachtung

gehorsamst

Johann Müller

Musikschüler

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Würzburg den 5. Juni 1907 Direktion

der Königl. Musikschule

zu Würzburg

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Bettreff:

Frau Luisa Prym Stiftung

Durch Beschluß des Lehrerrates wurde für das Schuljahr 1907/08 Ihnen ein Stipendium zu 200 M. aus der Frau Luisa Prym Stiftung verliehen. Dieses Stipendium wird vom k. Stiftungsamt dahier in 2 Raten am 1. Januar und 1. Juli 1908 gegen beglaubigte Quittung ausbezahlt.

____________________ Bei erledigter Direktorstelle An den Musikschüler Wilh. Schwendemann

Johann Müller Dahier Königl. Professor

Ida Neumeier schreibt:

Unser Onkel Hans Müller

Onkel Hans war das jüngste von 9 Kindern, zart und schwächlich, und wuchs in der großen Familie im "Müller-Turm" beengt und ärmlich auf. In der Sorge um das täg- liche Brot mußten seine älteren Geschwister Franziska und Ludwig, die wie alle Kinder vom Vater in 2 Instrumenten unterrichtet wurden, mitverdienen, indem sie in Vaters Orchester spielten.

Onkel Hans war 13 Jahre alt, als seine Mutter starb, und 19 Jahre, als er seinen Vater verlor. Mit dem Tod des Vaters wurde die Stelle des Stadtthürmers vakant. Onkel Hans bewarb sich um sie, sie wurde aber nicht mehr besetzt.

So sorgten seine älteren Brüder, Ludwig und Max, unser Vater, für seine Ausbil- dung. Wegen vererbter Musikalität und Freude am Instrument schickten sie ihn ans Konservatorium in Würzburg, wo er in Kontrabaß und Klavier ausgebildet wurde. Bruder Ludwig fuhr einigemale in Gehrock und Zylinder nach Würzburg, um sich nach den Fortschritten seines Bruders zu erkundigen.

Onkel Hans wirkte 40 Jahre als Kontrabassist beim Philharmonischen Orchester der Stadt Dortmund. Ihm wurde der Titel eines Kammermusikers verliehen. Onkel Hans blieb zeitlebens mit seiner Heimat verbunden und hielt an seiner Heimatsprache fest. Alle Jahre kam er in seine geliebte Heimatstadt Greding. Er besuchte auch seine Brüder, Ludwig in Eichstätt, Max in Mallersdorf, Franz in Aichach und seine Nichten und Neffen. Alle freuten sich, über das Wiedersehen und Onkels fränkischen Frohsinn. Heimat ist ja auch Inbegriff für menschliche Beziehungen. Greding, unserer Väter Heimat, ist für uns, ihre Söhne und Töchter Urheimat.

Die Besuche in der Heimat, nach der er sich immer sehnte, gaben Onkel Hans die Kraft, sein doch schweres Leben meistern zu können.

Für uns Kinder war Onkel Hans der Inbegriff des Onkels. Wenn er mit uns in Eich- stätt war, führte er uns nach dem Amt im Dom zum Frühschoppen ins Hotel Adler oder Traube. Wir bekamen Bratwürste und zu trinken. Für uns 4, die wir sehr spar sam erzogen wurden, war das ein Fest. Onkel Hans schickte uns zu Ostern und Weihnachten ein Paket. War das eine Freude!

Als Onkel Hans verheiratet war, schickte unsere Mutter alle Jahre eine Weih- nachtsgans.

Mit seiner Frau Aenne hatte Onkel Hans 3 Kinder. Sohn Ludwig wurde Ingenieur, Wolfgang studierte Mathematik und Physik für das Lehrfach. Tochter Margret mußte schon mit 15 Jahren den väterlichen Haushalt führen, weil ihre Mutter die letzten Kriegsjahre in Haar untergebracht war, wo sie im Juli 1945 starb. Margret führte den väterlichen Haushalt weiter, als sie heiratete. Freudig sagte ihr Vater von ihr, daß sie eine echte Müller sei.

Freud und Leid lagen in Onkels Leben beisammen. Er trug seine körperlichen Be- schwerden und seelischen Leiden mit bewundernswerter Größe und Stärke. Nach langer Krankheit starb er am 21. Februar 1963 in Dortmund. Sein Tod brachte auch uns tiefe Trauer.

Ida Neumeier-Müller